Wir alle Leben in unserer eigenen Welt. Jeder von uns nimmt die Realität durch eigene Wahrnehmungsfilter war, da wir ohne diese Filter die Vielzahl an Wahrnehmungsreizen nicht verarbeiten könnten. Im Folgenden möchte ich einige dieser Wahrnehmungsfilter (auch Metaprogramme genannt) beleuchten, um Klarheit darüber zu ermöglichen, durch welche Filterstrukturen Realität konstruiert werden kann. Erst, wenn wir die unbewussten Filtermechanismen verstehen, können wir Einfluss auf sie nehmen und somit Kontrolle über unser Handeln gewinnen und andere Menschen besser verstehen.
Die bestehende (NLP-)Literatur möchte ich gerne um ein Metaprogramm erweitern, welches meiner Meinung nach vor allem dann relevant wird, wenn Menschen mit Veränderungen konfrontiert werden. Wenn im privaten oder geschäftlichen Umfeld eine Veränderung ansteht, ist die Kenntnis über dieses Metaprogramm von enormem Vorteil, um Menschen auf den entsprechenden Weg der Veränderung mitnehmen zu können
Ich bezeichne das Metaprogramm als „Verantwortungsverortung“. Es gibt Personen, die die Verantwortung für alles was ihnen im Leben passiert bei anderen suchen und es gibt Menschen, die grundsätzlich Verantwortung selbst übernehmen. Bei diesem Metaprogramm geht es also um die Unterscheidung zwischen der Verantwortungsherkunft in „selbst“ und „andere“ (oder „Eigenverantwortung“ und „Fremdbestimmung“.
Personen, die Verantwortung eher unabhängig von ihrer eigenen Person verorten, sind dem Metaprogramm „Verantwortungsverortung - andere“ zuzuordnen. Menschen mit diesem Metaprogramm mögen es, höhere Instanzen, Institutionen und Entscheidungsgewalten in ihrem Leben zu wissen. Idealerweise sind sie in entsprechend stark hierarchischen Organisationen tätig. Ein gutes Beispiel ist die Berufsgruppe der Verwaltungsbeamten oder die des militärischen Dienstes. Diese stark subsidiär strukturierten Unternehmen, leben davon, dass die Individuen auf der jeweiligen Ebene daran glauben, dass bestimmte Entscheidungen unbedingt von einer höher gestellten Stufe getroffen werden müssen.
Stehen Menschen mit dem Metaprogramm „Fremdbestimmung“ im Stau, denken sie sich: „Was haben die denn hier schon wieder für eine Straßenführung gebaut?“ oder „Na toll, wie haben die sich das denn jetzt vorgestellt...?“. Für Personen, die Verantwortung bei anderen verorten, ist es wichtig, dass jemand anderes letztendlich die Verantwortung trägt - den Kopf hinhält. Für Führungskräfte kann das Wissen um dieses Metaprogramm sehr hilfreich sein, um Menschen einen produktiven Kontext zu schaffen.
In meiner Tätigkeit als Trainer und Unternehmensberater, kann und konnte ich feststellen, dass der Implementierungserfolg von Methoden, Techniken und Managementansätzen dort besonders erfolgreich ist, wo Individuen das Metaprogramm „Eigenverantwortung“ haben. Personen mit dem Metaprogramm „Fremdbestimmung“ benötigen meist ein „Dekret von Oben“ um Inhalte annehmen und umsetzen zu können. Sätze wie z.B „das ist das von der britischen Verwaltungsbehörde empfohlene Tool“ versetzen dann jedoch Berge. Da bei jedem Hindernis - bei jeder Veränderung - das Metaprogramm jedoch wieder aktiv wird, muss hier regelmäßig erneut Verantwortung delegiert werden, da es sonst nicht weitergeht.
Personen mit dem Verantwortungsverortungs-Metaprogramm „selbst“, finden sich am besten als Unternehmer, Selbständige oder als Führungskraft und Entscheider im Angestelltenverhältnis wieder und entfalten hier ihr volles Potential. Grundsätzlich wird von solchen Personen die Verantwortung erstmal für alles übernommen. Stehen sie im Stau, denken sie sich: „Das hätte ich voraussehen können“ oder „Ab der nächsten Ausfahrt finde ich sicherlich einen schnellen Ausweg“.
Eine Art Schnelltest, ob man Verantwortung grundsätzlich bei sich selbst, oder bei anderen verortet, sind Notfälle. Hat jemand einen Schlaganfall oder stürzt jemand gefährlich, kann man in Bruchteilen von Sekunden erkennen, wer der Umstehenden Verantwortung für die Situation übernimmt und wer zögernd danebensteht. Während der eine Teil denkt/sagt: „Ich bin da, also helfe ich, so gut ich kann - und wenn es nur ein Anruf beim Notdienst ist.“, denkt/sagt der andere Teil: „Da muss sich ein Arzt drum kümmern - hoffentlich ist jemand in der Nähe, der jetzt einen Arzt ruft“.
Konkrete Sprachmuster für die Verantwortungsverortung in „andere“:
· Da hat man mich nicht drüber informiert
· Da bin ich nicht für zuständig
· Das muss mein Chef/ der Staat/ die Anderen machen
· Da kann ich doch nichts dafür
· Das muss an anderer Stelle entschieden werden
· Die da oben ...
Sprachmuster zur Erkennung von Verantwortungsverortung im „selbst“:
· Da habe ich wohl eine Information nicht wahrgenommen.
· Das machen wir jetzt einfach so.
· Wenn ich es nicht entscheide, tut es keiner.
· Was kann ich tun, damit die Situation besser wird?
· Ich kümmere mich drum.
Nutzung des Metaprogramms „Verantwortungsverortung - selbst/andere:
In Gruppen:
Personen mit dem Metaprogramm „Eigenverantwortung“ brauchen eine Richtung und einen klaren (nicht zu engen) Handlungsrahmen, um ihr volles Potential entfalten zu können. In einem Team brauchen sie das Gefühl, selbstbestimmt handeln zu können.
Menschen mit dem Metaprogramm „Fremdbestimmung“ dürfen durch klare, detaillierte Anweisungen, Vorgaben und Empfehlungen angeleitet werden. Die Zusicherung: „Am Ende trage ich die Verantwortung für das, was du tust“ kann, von einer Führungskraft kommend, für ein Teammitglied sehr beruhigend sein.
Für uns selbst:
Schalten wir von einem unbewussten Zustand, in dem wir Verantwortung unbewusst bei uns oder bei anderen verorten, in einen selbstreflektierenden Zustand, ist es möglich Situationsgerecht bewusst darüber zu entscheiden, ob wir Veranwortung übernehmen können. Anstatt reflexartig Verantwortung abzulehnen oder sie unreflektiert immer für alles zu übernehmen, kommen wir in bewussteres Handeln und vergrößern somit unseren Optionenraum.

Zusammengefasst: Erkennen wir, ob Menschen Verantwortung bei sich oder anderen verorten, können wir dies entsprechend nutzen, um ihnen und uns selbst ein produktives Umfeld zu ermöglichen.
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