Meine persönliche These: Man muss die Dinge selber ausprobiert haben um festzustellen, ob sie einen glücklicher machen. Wie das Kind, das selber auf die heiße Herdplatte fassen muss, so müssen auch Erwachsene die Dinge selber gespürt haben, um sie wirklich zu verstehen.
Direkt nach dem Berufseinstieg gehen viele Menschen in eine Phase des starken Konsums - bei mir war es jedenfalls so. Meine persönlichen Motive für diesen “Post-Berufsstart-Konsum”:
Freiheitsgedanke: “Ich kann selber entscheiden, was ich kaufe!"
Belohnung: “Ich habe so hart gearbeitet, dann darf ich mir auch etwas gönnen!”
Suche nach Glück: “Wenn ich mir das kaufe, bin ich glücklicher!”
Nach einiger Zeit im Berufsleben und entsprechender finanzieller Unabhängigkeit, kommt es dann oft zu der Erkenntnis, dass mehr Konsum einen weder frei, noch glücklich macht - ja genau ich spreche vom abnehmenden Grenznutzen; genauer vom 1. gossenschen Gesetz. Visualisiert - am Beispiel von Maßanzügen (beliebig ersetzbar durch z.B.: Uhren, Autos, Reisen, Schuhe, ...) sieht das dann wie folgt aus:

Bei vielen kommt es im nächsten Schritt nach Berufseinstieg zu einer Art materieller Konsolidierung - ein kleiner Schritt in Richtung einer minimalistischeren Lebensweise. Man kennt seine Bedürfnisse besser und hat herausgefunden, was einen wirklich glücklicher macht. Meine Konsumkurve nach Start in die finanzielle Unabhängigkeit sah wahrscheinlich wie folgt aus:

Mein Konsum hat sich Anfangs stark ausgedehnt, hat dann abgenommen und mein Konsumbedürfnis ist dann sogar weiter runter gegangen als ich es gedacht hätte - ist minimaler geworden.
Eine minimalistischere Lebensausrichtung kann verschiedene Schwerpunkte haben - z.B. bzgl. Informationen, Aktivitäten, sozialen Kontakten usw. Ich spreche an dieser Stelle nur von der materiellen Dimension, weil ich es aktuell am stärksten spüre. Jeder weiß (wie wissenschaftlich vielfach untersucht), dass ein Mehr an materiellen Besitztümern nicht ein entsprechendes Mehr an Glück hervorruft - und trotzdem: Man kauft sich mehr Krempel, sobald man mehr Geld auf dem Konto hat.
Der Punkt, der mich umtreibt: Wie können wir Erkenntnisse darüber gewinnen, was uns wirklich glücklicher und freier macht, ohne uns dabei die Finger zu verbrennen oder unser gesamtes Nettogehalt zu verkonsumieren?
Meine Antwort: Sinne schärfen. Wie meine ich das? Wenn wir bewusster Wahrnehmen was wir wirklich brauchen, können wir uns einen Teil des Erkenntnisweges sparen.
Du verspürst den Wunsch, dich musikalisch ausleben zu können? Anstatt dir jetzt das zweite oder dritte Altsaxophon zu kaufen (dieses Beispiel könnte autobiografisch sein ...), könntest du deine Improvisationsskills im Jazz verbessern, indem du Zeit mit den Instrumenten verbringst, die du schon hast - das Gefühl, welches sich im letzteren Falle einstellt, ist deutlich befriedigender.
Wenn ich den akuten Drang verspüre etwas zu kaufen, frage ich mich, ob es mich wirklich glücklicher macht, oder ob es nur eine Übersprungshandlung ist. Klingt sehr theoretisch. Hier also ein konkretes Beispiel aus meinem Leben: Ich kann nur sehr schwer an Sport- und Funktionsschuhen vorbeigehen ohne den Drang zu verspüren, das komplette Sortiment auf einmal kaufen zu wollen. Wenn ich jedoch ganz ehrlich zu mir bin, macht mich ein neues paar high-tech Schuhe gar nicht glücklicher. Es ist vielmehr so, dass ich mir wünsche, mehr Sport in der Natur zu machen - anstatt das zu tun, versuche ich mir das Gefühl zu erkaufen - eine Übersprungshandlung.
Zusammengefasst: Unsere Konsumentscheidungen sind oft der Wunsch nach einem bestimmten Gefühl. Nimm dir die Zeit festzustellen, was du wirklich willst und dann: Hol’ dir das Gefühl direkt - ohne die Ersatzhandlung im Konsum. So verkürzt du den Erkenntnisweg und sparst dir Geld und Lebenszeit.
Comments