Jeder, der mal überlegt hat, wie er produktiver sein könnte, stößt irgendwann auf Zeitmanagement. Dieser Impuls kann auch von außen kommen: Sind Mitarbeiter in Organisationen überlastet oder liefern nicht die gewünschten Ergebnisse, wird ihnen dann reflexartig besseres Zeitmanagement empfohlen. Grundsätzlich geht es hierbei um eine effektive Zeitplanung und die Vorgehensweise zur Aufgabeneinteilung. Ziel ist die effiziente Erledigung der gegebenen Aufgaben.
Zeitforscher Karlheinz Geißler sagt: "Der Begriff ist jedoch ein Widerspruch in sich, weil man Zeit nicht managen kann. Die Formel "Zeitmanagement" setzt voraus, dass sich der Mensch zur Zeit verhält wie zu einem Gegenstand, den er verändern kann. Das Gegenteil ist der Fall: Der Mensch ist ein zeitliches Wesen und kann nicht über seine Lebenszeit bestimmen." Wir können Zeit also gar nicht managen, sondern nur uns selbst. Neben, der Tatsache, dass man Zeit überhaupt nicht handhaben kann, setzt man mit dem, was unter Zeitmanagement verstanden wird, den zweiten vor den ersten Schritt.
Die erste Frage sollte nicht sein, wie ich meine Zeit besser managen kann, sondern wer über meine Zeit verfügt. Wer bestimmt darüber, wann und wo du was zu erledigen hast? Bevor wir also damit beginnen, zu überlegen, wie wir etwas möglichst effizient erledigen, dürfen wir uns fragen, wer dieses etwas in unserem Leben bestimmt. Das kann dein Arbeitgeber, deine Familie, ein Freundeskreis - oder auch du selbst sein.
Die zweite Frage, die dann relevant wird, lautet: Für welche Art der Arbeit werde ich bezahlt? Also für welche Art der Zeitverbringung wirst du vergütet? Passt das mit deinen Werten, Prinzipien und Zielen zusammen? Ist mir Freiheit im Leben sehr wichtig und ich muss in starren Prozessen arbeiten, wird mich die Arbeit eher unwahrscheinlich erfüllen. Sind soziale Beziehungen Priorität, darf ich dafür sorgen auch in diesem Bereich zu arbeiten, anstatt die Zeiteinteilung in einem Job ohne Menschenkontakt zu optimieren. Werde ich fürs Sitzen bezahlt und Bewegung steht in meinem Leben an oberster Stelle, bringt mich eine bessere Aufgabeneinteilung nur sehr niederschwellig weiter.
Zeitmanagement (wenn wir es weiterhin einfach mal so nennen) ist gewissermaßen das Tüpfelchen auf dem i. Bist du damit zufrieden, wer über deine Zeit verfügt und für welche Art der Arbeit du bezahlt wirst, dann und erst dann macht es Sinn, in diesem Umfeld effizienter zu werden.
Essenz: Wir können Zeit nicht managen, sondern nur uns selbst. Bevor wir uns mit einer besseren Zeiteinteilung zur Erledigung unserer Aufgaben befassen, dürfen wir zwei Schritte vorher ansetzten. Zuerst dürfen wir uns fragen, wer über unsere Zeit verfügt. Wenn das für uns passt, fragen wir uns, mit welcher Art Aufgabe wir unsere Zeit verbringen wollen. Sind wir auch hiermit zufrieden, können wir uns mit dem beschäftigen, was man unter Zeitmanagement versteht.
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